Bildungsaufenthalt in Bamako, Mali – 8. Januar bis 20. Februar 2014
Ein Bericht von Robert Spruit
Seit einer Woche zurück in der Schweiz, versuche ich meine reichen Eindrücke und Erlebnisse im Mädchenzentrum Jigiya Bon in Bamako zu schildern. Zunächst einmal wurde ich von den Leiterinnen und den 40 Mädchen des Zentrums sehr herzlich und neugierig empfangen. Dass inzwischen regelmäßig Volontärinnen für mehrere Wochen und Monate das Zentrum besuchen und dort am täglichen Leben teilnehmen, sind sie sich gewohnt. In meinem Fall handelte es sich aber um einen Familienvater, ehemaligen Lehrer, Schulpsychologen und Kunsttherapeuten, und unter den letzten zwei Begriffen können sich in Mali die wenigsten Menschen etwas vorstellen. So verlief die Annäherung der meisten Mädchen zu Beginn schüchtern und zögerlich. Meinerseits wollte ich vorsichtig abtasten, was ich denn einbringen könnte. Zwar hatte ich eine Menge großformatigen Papiers und ganz viele dicke Buntstifte sowie viele Ideen mitgebracht. Aber ich kannte weder die Vorbildung noch die Anliegen der Mädchen.
Der Kontakt wurde dann rasch lebendiger und etwas freier, nachdem ich mich an ihren Spielen beteiligt und ein neues Spiel eingebracht hatte. Tanzen, Musik, Sport und Bewegung sind bei den malischen Mädchen sehr beliebt und sorgen für viel Lachen und lautstarke Auseinandersetzungen. Unvertrauter sind ihnen zeichnen und malen, wie ich bald feststellen musste. Erstens mangelt es an entsprechendem Material. Zum zweiten werden in der Schule, falls es dann mal stattfindet, ganz bestimmte Motive vorgegeben und stereotyp wiederholt, bis sie diese „können“. Dazu gehören die ursprüngliche Hütte im Dorf (vgl. Abb. 1) oder eine ornamentale Blume (Abb. 2). Dabei ist wenig Eigeninitiative oder Kreativität gefragt. Oft tauchen noch die Flaggen von Mali, Deutschland oder Frankreich auf. In einem ersten Schritt ließ ich die Mädchen deshalb in Altersgruppen auf großen Blättern malen, wozu sie Lust hatten, und ich stellte ihnen dazu die vielen Buntstifte zur Verfügung. Nur wenige trauten sich zu, etwas Neues, Eigenes zu gestalten.
Etwas mehr Experimentierfreude ermöglichte anschließend die Arbeit mit Wasser: das Papier wird dazu beidseitig nass gemacht, worauf die Farben eine Eigendynamik entwickeln. Dabei entstanden nun bereits sehr interessante und neuartige Werke. Es waren in der Folge mehrheitlich die jüngeren Mädchen, die noch mehr Freizeit haben und sich auch schneller mehr Freiheiten heraus zu nehmen trauten, die immer begeisterter zu malen begannen. Wie also auch die Älteren wieder mehr einbinden? Dazu waren einerseits immer wieder Absprachen mit den Leiterinnen nötig, um passende Zeitfenster zu finden (was neben den andern Aktivitäten wie Nachhilfeunterricht, Computer- und Djembékursen) gar nicht so einfach war. Andererseits war auch Motivation nötig. Ich ließ die Mädchen deshalb in Vierergruppen Gemeinschaftsbilder malen und zum Schluss ein mehrere Meter langes Bild vom Fluss Niger gestalten, auf dem jede für sich etwas gestaltet und „in den Fluss“ gesetzt hat.
Mit den jüngeren Mädchen entstanden nach einer Körperwahrnehmungsübung zu einer Imagination eines Baumes zudem sehr schöne malische Bäume.
Während meines Aufenthaltes konnten mit Drissa Koné und Madou Djakité zwei routinierte Djembélehrer gewonnen werden, welche den Mädchen regelmäßig Unterricht erteilen (Abb. 9). Da ich selbst sehr gerne Djembé spiele, entstand daraus eine weitere verbindende, freudige Tätigkeit. Zu vielen der Mädchen wurde im Verlauf der sechs Wochen ein herzlicher Kontakt möglich. Einige trugen Fragen zu den Hausaufgaben oder zu Themen, die sie beschäftigten, an mich heran. Andere genossen es, etwas Spaß zu haben oder Aufmerksamkeit für sich und ihre Werke zu bekommen. Der Abschied fiel mir am Ende nicht leicht, auch wenn ich mich sehr auf meine Familie gefreut habe. Und es bleiben viele schöne, wertvolle Begegnungen, fröhliche Gesichter, lautes Lachen… und der Malivirus, der mich schon während meiner ersten Reise durch das Land befallen hatte.
2. März 2014, Robert Spruit