Reisebericht Gunthard Weber – Bamako (Teil 1)

 28. Januar 2014

13.01.2014 Ankunft in Bamako

Am späten Abend kommen Ruth und Wilfried Hoffer und ich endlich in Bamako an. Ich habe eine mühsamen Flugreise mit langem Aufenthalt und Übernachtung im Transitbereich des Flughafens von Algier (26 Stunden) hinter mir. Was macht man nicht alles, wenn ein Flug billig ist. Eigentlich hatte ich gehofft, mir während des Aufenthalts die berühmte Altstadt von Algier ansehen und in einem Hotel übernachten zu können, aber trotz einer Intervention von Ruth Hoffer bei einem, ihr von einer früheren Reise behilflichen Flughafenpolizisten, war mir das Verlassen des Transitbereichs ohne Visum nicht genehmigt worden. Am Morgen hatten sich Ruth und Wilfried für den zweiten Teil der Reise zu mir gesellt.

Gaussou Togo, unser Baumeister, verlässlicher Mann für alles und Vorstandsmitglied der Association d’Appuis à la Scolarisation des Filles (A.S.F.) holt uns wie vereinbart am Flughafen ab und bringt uns ins Hotel Colibri.
Noch ein “Flag” (malisches Bier) und ab ins Bett. Es ist nach Mitternacht.

Gunthard Weber, Mariam Sidibé, Ruth Hoffer und der Voluntär Robert Spruit im Hof des Centre.

Gunthard Weber, Mariam Sidibé, Ruth Hoffer und der Voluntär Robert Spruit im Hof des Centre

Das Maison Nele Weber
Widmung am „Maison Nele Weber“

14.01.2014 Centre Jigiya Bon

Heute wird der Geburtstag des Propheten gefeiert und deshalb ist schulfrei. Alle 40 Mädchen sind also im Centre und demensprechend fällt auch die Begrüßung aus. Alle, auch die Angestellten, haben sich am Tor versammelt. Mit Rücksicht auf den Tod von Nele, meiner Frau, im August 2013, verzichtet man auf größeren Trubel. Um so herzlicher sind aber die Begrüßungen.
Bei einem Treffen im Gemeinschaftshaus hält eine Schülerin eine kurze Begrüßungsrede. Danach stellen sich alle Mädchen nacheinander vor, nennen ihren Namen und die Klasse, in die sie gehen. Ich werde auch gebeten, kurz etwas zur Begrüßung und unseren Plänen für die nächsten Wochen zu sagen. Als ich eine großzügige Spende erwähne, mit der Bewegung, Tanz und Musik im Zentrum besonders gefördert werden soll, wird diese Ankündigung begeistert begrüßt.
Anschließend versammeln wir uns alle beim Haus von Jigiya Bon 2, wo in großes Bild von Nele feierlich enthüllt wird, mit dem ihr das Gebäude als “Maison Nele Weber” gewidmet wird. Ein trauriger Moment und eine Wertschätzung ihres Einsatzes und ihrer Person.
Das um 10 Uhr angesetzte Treffen mit dem Aufsichts- und Verwaltungsrat der Cooperative Jigiya Bon Siokoro fällt wegen eines Terminmissverständnisses aus.
Wir drei Vorständler nutzen aber die Zeit, um mit Abdoulaye Traoré und Moktor Traoré, dem Chef des Vereins zur Förderung der Gemeinde Siokoro, ausführlich ihre Sichtweisen und Einschätzungen der Situation in Siokoro zu diskutieren.

Besuch im Schneider Atelier

Als wir, die drei Vorständler und der Voluntär Robert Spruit aus der Schweiz, Schulpsychologe und Kunsttherapeut, über den Innenhof zum Schneideratelier gehen, spüren wir schon von weitem die Aufgeregtheit der Leiterin Timbine Astan Napare und ihrer zwei Assitentinnen. Sie haben schöne von ihnen geschneiderte Kleider angezogen und stehen erwartungsvoll vor der gelben Tür, bereit, uns seit dem letzten Mal Erarbeitetes vorzustellen. Im ersten Raum haben sie ihre Modelle auf Tischen ausgebreitet: Tischdecken und Servietten, Tischläufer, Kleider und Taschen unterschiedlichster Größe und Form.
Wir sind freudig überrascht von der wesentlich sorgfältigeren Näharbeit, den gut gewählten Stoffen und Farben und den ganz unterschiedlichen Modellen, breiten die Tischdecken und Tischläufer aus, proben die Taschen am Arm und bewundern die Kleider. Schließlich ziehen die Schneiderinnen drei unterschiedlich Modelle an und stellen sich mit Taschen wie Models auf der Terrasse auf.

Ruth Hoffer und eine der Schneiderinnen
Ruth Hoffer und eine der Schneiderinnen

Ruth Hoffer und eine der Schneiderinnen

Stolze Präsentation der geschneiderten Produkte

Stolze Präsentation der geschneiderten Produkte

15.1.2014 

Ein Trauerfall

Wir sind um 9.30 Uhr im Centre Jigiya Bon und erfahren von Gaoussou Togo, dass der 17-jährige Neffe von Mariam Sidibé, der Zentrumsleiterin, in der Nacht auf dem Moped von einem betrunkenen Mann, der schon einmal jemand tot gefahren hat, umgefahren wurde und dann im Krankenhaus gestorben ist.  In Mali werden die Gestorbenen meist schon Stunden nach dem Tod beerdigt. Verwandte und Bekannte fahren deshalb gleich zum Haus der Familie und wir auch.
Wir müssen über eine der Nigerbrücken fahren und stehen lange im Stau. Als wir ankommen, sehen wir schon von weitem viele Autos, Mopeds und Gruppen von Menschen. Die Männer stehen still auf der Straße, die vielen Frauen sitzen stumm und mit traurigen Gesichtern auf dem Boden des Innenhofes vor dem Haus. Eine Weile bleiben wir auf der Straße, dann holt uns ein Verwandter ins Haus, in einen dunklen Raum mit Polstersitzen ringsum. Man sieht anfangs wenig.
Der Vater, ein Bruder des Gestorbenen, Mariam, der Großvater, Mariams Vater und einige Verwandte sind da. Frauen und Männer trauern üblicherweise getrennt, doch hier wird eine Ausnahme gemacht. Wir kondolieren leise und drücken die Hände. Dann ist es wieder still. Da Mariams Vater Englischlehrer war, setzt man mich neben ihn. Er zeigt wenig Trauer, sagt aber wie traurig er ist und erzählt mir dann von seiner Schule und dass Deutschland 1960 Mali als erstes Land als Staat anerkannt hat und er dann an seiner Schule den Spanisch-Unterricht beendet und dafür Deutschunterricht eingeführt hat.
Irgendwann kommen etwa 8 Männer der Familie des schuldigen Fahrers in den Raum, gehen in die Hocke und der Bruder des Großvaters spricht mit ihnen. Sie bieten der Familie des Opfers einen Geldbetrag als Ausgleich an. Das wird von der Familie des Verunglückten abgelehnt. Geld könne kein Ausgleich für den frühen Tod eines Familienmitglieds sein. Sie reden lange miteinander.
Die Mutter des jungen Mannes kommt, setzt sich vor den Großvater auf die Erde, legt den Kopf auf seinen Schoß und weint. Er hält ihre Hand und sagt ihr leise etwas. Bald kommt ein Verwandter, hilft der Mutter auf und führt sie zu den Frauen auf dem Hof. Weinen ist nicht erwünscht. Nach etwa einer Stunde verneigen wir uns noch einmal vor den Trauernden und gehen wieder an den eng beieinander  sitzenden Frauen vorbei auf die Straße.

 

Schulaufgabenzeit im Centre Jigiya Bon
Nachdem ich im Computerraum mit den 5 Computern – das Internet funktioniert nach einem Stromausfall gut – einige Berichte und E-mails in die Welt geschickt habe, schlendere ich über den fast leeren Innenhof zum zweiten Gemeinschaftshaus, in dem sich auch die Bibliothek befindet.
Es ist schon ziemlich dunkel im Raum. Etwa 12 Mädchen sitzen an den Tischen verteilt, allein oder in kleinen Gruppen und machen ihre Hausaufgaben. Robert Spruit, der Schweizer Schulpsychologe, der gerade im Centre die pädagogische Arbeit unterstützt, sitzt an der gegenüberliegenden Seite des Raumes mit zwei kleinen Mädchen an einem Tisch. „Was für eine Unmöglichkeit wird diesem Kindern zugemutet”, sagt er “Sie sollen lesen und schreiben lernen und gleichzeitig Französisch. In malischen Schulen wird von Anfang an nur französisch gesprochen und die Schüler können weder lesen noch schreiben und inhaltlich schon gar nicht verstehen, um was es jeweils geht. Es ist bewunderswert, wie ausdauernd diese Mädchen in einer so unsinnigen Situation ihr Bestes versuchen, etwas zu lernen.“ Alima, eine unserer Ehemaligen, die inzwischen am Centre angestellt ist, steht mit einem Mädchen an einer Tafel und das Mädchen liest ihr etwas vor. Das alles findet in einer ruhigen Lernatmosphäre statt. Als ich das sehe, steigt in mir eine stille Freude auf. Das ist unser Ziel, dass Mädchen in Mali etwas lernen und eine Ausbildung bekommen.

Die Mädchen bei der Erledigung der Schulaufgaben

Die Mädchen bei den Schulaufgaben

Üben für den Französischunterreicht

Üben für den Französischunterreicht

17.1. 2014  

Centre Jigiya Bon, Treffen der Patenmädchen und der „Externen“

Es ist für uns beinahe unvorstellbar. Mariam Sidibé hat vom einen auf den anderen Tag alle 37 Patenmädchen und die 20 Externen (Mädchen, bei denen das Zentrum die Schulkosten und -mittel bezahlt) für den Nachmittag eingeladen und fast alle sind gekommen. Die Zentrumsmädchen haben Säfte in kleine Plastiksäckchen abgefüllt, Softdrinks gibt es auch und selbstgebackene Kekse. Malsachen werden ausgeteilt, die Mädchen haben Spaß daran und wir setzen uns zu ihnen. Lustige Kreisspiele folgen auf dem Sportfeld.
Für die Patenfamilien in Deutschland machen wir von allen Patenmädchen und von den Externen Fotos und am Ende des lebendigen Tages auch von der ganzen Gruppe
Mit einigen Elternteilen tauschen wir uns aus. Zu wissen, dass die 90 Mädchen und jungen Frauen alle zur Schule gehen oder eine Ausbildung absolvieren, ist ein gutes Gefühl.

Treffen der Schülerinnen, Patenmädchen und Externen

Treffen der Schülerinnen, Patenmädchen und „Externen“

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